Nigeria: Hilfe nach Boko Haram-Angriffen

02.02.2015
Vorbereitung auf mögliche Gewalt angesichts der Wahlen

Nach dem Angriff der bewaffneten Gruppe Boko Haram im Januar 2015 auf die Stadt Baga im Norden Nigerias sind 5.000 Menschen von dort geflohen und in der nahegelegenen Großstadt Maiduguri im Lager “Teachers Village” untergekommen. Ärzte ohne Grenzen unterstützt die Vertriebenen mit einem Nothilfeprogramm.

L eider ist eine Verbesserung der schwierigen Lage im Nordosten des Landes durch die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen Mitte Februar nicht in Sicht. Ärzte ohne Grenzen bereitet einen möglichen Nothilfeeinsatz vor, um im Falle von Gewaltausbrüchen im Zusammenhang mit den Wahlen schnell einsatzbereit zu sein.

Die Lage im Nordosten Nigerias hat sich in den vergangenen vier Jahren kontinuierlich verschlechtert. Allein in Maiduguri wurden bei Bombenanschlägen zahlreiche Menschen verletzt oder getötet. Boko Haram griff die Stadt im Laufe des Jahres 2014 und im Januar 2015 insgesamt dreimal an. Bis auf eine Straße sind alle Hauptstraßen Maiduguris gesperrt.

Im Zusammenhang mit befürchteten Gewaltausbrüchen bei der bevorstehenden Wahl baut Ärzte ohne Grenzen die eigenen chirurgischen Kapazitäten in Nigeria aus und stellt einen Notfallplan auf. Im Süden des Landes richten die Teams im städtischen Krankenhaus des Bundesstaates Rivers eine Notaufnahme, einen Operationssaal und einen Bereich für die post-operative Versorgung ein. Sollte es zu Gewalt kommen, können in anderen Bundesstaaten zwei weitere medizinische Stationen eingerichtet werden. Zusätzlich wird medizinisches Personal von Ärzte ohne Grenzen sowie des Gesundheitsministeriums geschult, um auf einen möglichen starken Zustrom Verwundeter vorbereitet zu sein. Auch steht ein chirurgisches Team auf Standby bereit, das im Bedarfsfall einen provisorischen Operationssaal und Gesundheitsposten einrichten kann, wo dies nötig werden sollte.

Große Unsicherheit für Hilfsorganisationen

Die Unsicherheit in der Region um Baga seit dem Angriff am 3. Januar hat bislang jegliche humanitären Akteure, einschließlich Ärzte ohne Grenzen , davon abgehalten, sich in der Region zu bewegen. Satellitenbilder zeigen jedoch, dass weite Gebiete zerstört wurden. Überlebende berichten von einer verlassenen, menschenleeren Stadt.

In ganz Nigeria gibt es heute fast eine Million Vertriebene, die meisten von ihnen im Nordosten des Landes. Schätzungsweise 500.000 Vertriebene befinden sich im Bundesstaat Borno, davon 400.000 in der Stadt Maiduguri. Die meisten von ihnen sind vor Anschlägen von Boko Haram in der umliegenden Region dorthin geflohen. Die wachsende Zahl der Vertriebenen übt erheblichen Druck auf die Ressourcen und die wenigen vorhandenen Dienstleistungen aus - vor allem auf die Gesundheitsversorgung, die oftmals unzureichend ist. Die Gemeinden, die Vertriebene aufgenommen haben, sind in einer schwierigen Lage, denn sowohl die einheimische Bevölkerung als auch die Vertriebenen benötigen Nahrungsmittel und medizinische Hilfe. Die Menschen fliehen auch aus Angst vor möglichen Anschlägen, vor allem aus der entlegenen Stadt Mongono mit 300.000 Einwohnern, etwa 100 Kilometer von Maiduguri entfernt. Ärzte ohne Grenzen unterstützt dort das Krankenhaus mit medizinischen Hilfsgütern.

Unsere Hilfe in Maiduguri

Ärzte ohne Grenzen leistet in den größten Vertriebenenlagern in Maiduguri Hilfe, in denen je 10.000 bis 15.000 Menschen Zuflucht suchen. Innerhalb von zwei Monaten haben wir fast 10.000 medizinische Konsultationen durchgeführt. Nach der Ankunft der Vertriebenen aus Baga in dem Lager „Teacher Village“ evaluierten unsere Teams auch dort die Bedürfnisse der Menschen. Wie in den anderen beiden Camps errichteten wir dort eine Klinik, leisteten ambulante medizinische Hilfe (Behandlung von Mangelernährung und Geburtsvorsorge) und brachten die schwersten Fälle in Krankenhäuser. Unsere Teams ergriffen auch Hygienemaßnahmen und bauten in den zehn Lagern, die seit Juli in der Umgebung von Maiduguri entstanden waren, eine Wasserversorgung auf. Bald wird Ärzte ohne Grenzen in Maiduguri zudem ein Gesundheitszentrum mit zehn Krankenhausbetten eröffnen.

Am 24. Januar 2015 griff Boko Haram die Stadt Maiduguri an. Am Folgetag, dem 25. Januar, übernahm die islamistische Gruppe die Kontrolle in Monguno, das 100 Kilometer weiter nördlich gelegen ist. Wir führten eine Einschätzung der Bedürfnisse in den medizinischen Einrichtungen in Maiduguri durch und haben unsere Aktivitäten dort bereits wieder aufgenommen.

Flucht ins Nachbarland Niger

Etwa 150.000 Flüchtlinge, die Schutz vor der Gewalt suchten, kamen auch in der Stadt Diffa im Niger an. Die Menschen, die aus Nigeria fliehen, sind zum größten Teil Frauen, Kinder und ältere Menschen. Die meisten von ihnen stammen ursprünglich aus der nahe gelegenen nigerianischen Stadt Damassak. Sie überquerten die Flüsse Tschad und Komadougou, um in Städten und Dörfern auf der anderen Seite der Grenze Zuflucht zu finden. Bei ihrer Ankunft in Diffa wurde ihre Zahl auf bis zu 150.000 Personen geschätzt.

Im Dezember begann Ärzte ohne Grenzen in dieser südöstlichen nigrischen Stadt medizinische Hilfe zu leisten: Nur wenige Kilometer von der Grenze zum nigerianischen Bundesstaat Borno und 1.500 Kilometer von der nigrischen Hauptstadt Niamey entfernt reagierten die Teams auf einen Cholera-Ausbruch in Diffa und Chatimari. Wir bauten Cholera-Behandlungszentren auf, außerdem bildeten wir lokale Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Desinfektion von medizinischen Stationen und von kontaminierten Häusern mit Chlor aus. In Zusammenarbeit mit dem nigrischen Gesundheitsministerium behandelten wir mehr als 300 Patienten und Patientinnen. Wir begannen auch damit, die Gesundheitszentren in N'Garwa und Gueskerou zu unterstützen und führten eine Verteilung von Hilfsgüter für die neu ankommenden Flüchtlinge in der Region Diffa durch. Aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen der Flüchtlinge und der großen Zahl von Familien mit kleinen Kindern, die weiterhin ankommen, werden wir auch eine Impfaktion in Diffa durchführen.