Nach Taifun Haiyan: Ländliche Gebiete benötigen dringend Hilfe

19.11.2013
Zehn Tage nach der Taifun-Katastrophe stecken viele Ladungen von Hilfsgütern noch immer in Häfen und Flughäfen fest.

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“Helft uns bitte” - Worte eines Überlebenden auf den Trümmern seines Hauses in Tanauan (c) Yann Libessart/MSF
Yann Libessart/MSF
Tanauan, Philippinen, 19.11.2013: “Helft uns bitte” - Worte eines Überlebenden auf den Trümmern seines Hauses in Tanauan. Die Stadt mit 55.000 Einwohnern wurde vom Taifun Haiyan zu 95% zerstört, 5.800 Familien haben immer noch kein Dach über dem Kopf.

Zehn Tage nach der Taifun-Katastrophe stecken viele Ladungen von Hilfsgütern noch immer in Häfen und Flughäfen fest. Gleichzeitig sind Dörfer in abgelegenen Gebieten ganz auf sich allein gestellt.

„Helft uns bitte" – Diese Worte hat ein Überlebender in der Stadt Tanauan in großen roten Buchstaben auf die Trümmer seines Hauses geschrieben. Tauauan ist eine kleine Stadt mit 50.000 Einwohnern und befindet sich etwa 20 Kilometer südlich von Tacloban auf der Insel Leyte. Die Stadt wurde zu 95 Prozent zerstört. Viele Menschen leben auf der Strasse, betteln für Wasser, Nahrung und Unterkunft. Während die Strassen in Tacloban fast vollständig geräumt sind, treiben in Tanauan immer noch Leichen in den Flüssen. Eine zwölf Meter hohe Welle spülte alles weg. Die Schutthaufen blockieren noch immer die meisten Strassen. Nur die Hauptstrasse wurde endlich geräumt, so dass Fahrzeuge mit Hilfsgütern nun passieren können.

Logistische Hindernisse

„Je weiter man in ländliche Gebiete vordringt, desto weniger Hilfe gibt es. Einige Gebiete haben noch überhaupt keine Hilfe erhalten. Einige Menschen haben keine andere Wahl, als draußen im strömendem Regen zu schlafen", berichtet Caroline Seguin, Notfall-Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen. „Zurzeit sind es vor allem logistische Hindernisse, die die Hilfslieferungen aufhalten. Die kleinen Flughäfen auf der Insel Leyte sind nicht ausgerüstet, um große Frachtflugzeuge abzufertigen. Sie verfügen nicht über die nötigen Gerätschaften, um die riesigen Frachtmengen auszuladen und zu lagern."

„Es ist eine Tatsache, dass die Hilfe die abgelegensten Gebiete noch nicht erreicht hat", bestätigt Laurent Sury, der Leiter der Notfallprogramme von Ärzte ohne Grenzen. „Um diesen Engpass zu überwinden, muss der Flughafen stärker unterstützt werden. Insbesondere braucht es zusätzliche Flüge, damit die Hilfslieferungen schneller in die betroffenen Gebiete gelangen. Die Bemühungen von Ärzte ohne Grenzen konzentrieren sich darauf, die abgelegensten Gebiete zu erreichen. Wir betreuen nun auch immer mehr PatientInnen."

In Tanauan kommen 70 Prozent der PatientInnen wegen infizierter Wunden. „Eine unserer größten Sorgen betrifft die Ansteckung mit Tetanus. Wir müssen die Verletzten so schnell wie möglich impfen, aber dazu brauchen wir auch Kühlschränke und Elektrizität, damit wir die Impfstoffe lagern können", erklärt Seguin.

Erste Hilfe im Rathaus

Der stellvertretende Bürgermeister, der selbst Arzt ist, leistet medizinische Grundversorgung im Rathaus, obschon dem Gebäude die Hälfte des Dachs fehlt. Zu Beginn belieferte Ärzte ohne Grenzen die Gemeinde mit Medikamenten und medizinischem Material und ist nun dabei, ein voll ausgestattetes Gesundheitszentrum einzurichten. Auf diese Weise soll die primäre Gesundheitsversorgung in Tanauan wieder sichergestellt sein.

Bis jetzt war es vor allem der Solidarität der lokalen Bevölkerung zu verdanken, dass die Hilfseinsätze durchgeführt werden konnten. Überlebende setzen alle Mittel ein, die sie zur Verfügung haben. „In Palo lieh uns der Gouverneur persönlich sein Auto, einschließlich des Benzins. In Tacloban half uns ein Team von Höhlenforschern, den Parkplatz zu räumen, auf dem wir unser aufblasbares Spital errichten wollen", erzählt Seguin.

Ausbau der medizinischen Tätigkeiten

Die Häufigkeit von Taifunen in dieser Region führte bei der Bevölkerung zwar zu einer gewissen Widerstandsfähigkeit gegenüber Katastrophen. Das Ausmaß der Zerstörung durch die Sturmflut ist jedoch enorm, große Teile der Küste sind zerstört. Es muss deshalb sichergestellt werden, dass die Hilfslieferungen nicht in Häfen oder Flughäfen stecken bleiben und die gegenwärtig unzugänglichen Gebiete so bald wie möglich erreichen.

Ärzte ohne Grenzen baut zurzeit die medizinische Hilfe in fünf der am stärksten betroffenen Gebiete auf drei Inseln aus. Die Organisation arbeitet nun in Guiuan auf der Insel Samar, in der Umgebung von Tacloban, Ormoc und Burauen auf Leyte sowie in Roxas und Estancia auf Panay. In den nächsten Tagen wird in Tacloban ein voll ausgestattetes aufblasbares Spital errichtet. Dieses soll als Referenzzentrum für die umliegenden Gesundheitsposten dienen und die sekundäre Versorgung sicherstellen.