Nach Angriff in Kundus: Internationale Humanitäre Ermittlungskommission eingeschaltet

14.10.2015
Zustimmung von USA und Afghanistan benötigt. Ärzte ohne Grenzen wird sich nicht auf interne Untersuchungen durch Konfliktparteien verlassen.
Kunduz Hospital After the Attack
Andrew Quilty/Oculi
A room adjacent to the emergency entrance, on the front side of the western wing of the main Outpatient Department building.

Brüssel/Wien, am 14. Oktober 2015Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) wurde darüber informiert, dass die Internationale Humanitäre Ermittlungskommission (International Humanitarian Fact-Finding Commission, IHFFC) aktiviert worden ist. Dies ist der erste Schritt, der für die Durchführung einer unabhängigen Untersuchung des Angriffs auf das Krankenhaus von Ärzte ohne Grenzen in Kundus am 3. Oktober notwendig ist. Die IHFFC wartet nun auf die Zustimmung der Vereinigten Staaten und Afghanistan, um fortfahren zu können.

„Wir haben Entschuldigungen und Beileidsbekundungen entgegengenommen, doch das ist nicht genug. Wir wissen immer noch nicht, warum ein bekanntes Krankenhaus voller Patienten und medizinischem Personal über den Zeitraum einer Stunde mehrmals angegriffen wurde“, sagt Joanne Liu, die internationale Präsidentin von Ärzte ohne Grenzen. „Wir müssen wissen, was genau geschehen ist, und warum.“

Ärzte ohne Grenzen kann sich nicht auf die internen Untersuchungen verlassen, die derzeit von Konfliktparteien durchgeführt werden, und bekräftigt erneut die Forderung nach einer unabhängigen und unparteiischen Untersuchung durch die IHFFC. Bei den US-Luftangriffen wurde das Hauptgebäude des Trauma-Zentrums von Ärzte ohne Grenzen in Kundus zerstört, das Krankenhaus ist seither nicht mehr in Betrieb. Somit haben zehntausende Menschen in einer Stadt, die durch wochenlange Kämpfe zerstört ist, keinen Zugang zu medizinischer und chirurgischer Nothilfe.

„Wir müssen wissen, ob sich die Regeln des Krieges geändert haben, und zwar nicht nur wegen Kundus, sondern für die Sicherheit unserer Teams, die in Kriegsgebieten auf der ganzen Welt im Einsatz sind“, so Joanne Liu weiter.

Die IHFFC wurde im ersten Zusatzprotokoll zu den  Genfer Abkommen geschaffen und ist die einzige permanente Instanz, die speziell zur Untersuchung von Verletzungen des humanitären Völkerrechts eingeführt wurde. Die Kommission hat sich bereits offiziell an die US-amerikanische und die afghanische Regierung gewandt und angeboten, tätig zu werden. Sie wartet nun auf ihre Antwort.

Ärzte ohne Grenzen ist eine internationale medizinische Hilfsorganisation und wurde erstmals im Jahr 1980 in Afghanistan tätig. Das Traumazentrum von Ärzte ohne Grenzen in Kundus wurde im August 2011 eröffnet. Das Ziel der Einrichtung war es, Trauma-Patienten wie etwa Opfer von Unfällen oder Menschen mit Kriegsverletzungen durch Bombenexplosionen  oder Kugeln qualitativ hochwertige, kostenlose medizinische und chirurgische Behandlungen anzubieten.

Ärzte ohne Grenzen behandelt in allen Hilfsprogrammen Menschen entsprechend ihrer medizinischen Bedürfnisse. Die Mitarbeiter machen keinerlei Unterscheidungen aufgrund der Zugehörigkeit, religiösen oder politischer Überzeugungen eines Patienten. Ärzte ohne Grenzen verwendet für die Arbeit in Afghanistan ausschließlich private Mittel und akzeptiert keine Gelder von Regierungen.