Kritische Lage von Migranten und Asylwerbern in Auffanglagern in der Region Evros

13.12.2010
Männer, Frauen und Kinder leben unter menschenunwürdigen Bedingungen in überfüllten Lagern.
Griechenland 2010
Julia Kourafa/MSF
Evros, Griechenland, 05.12.2010: Grenzpolizeistation Soufli: Ein Arzt von Ärzte ohne Grenzen untersucht ein 7-jähriges afghanisches Mädchen.

Athen/Wien, 10. Dezember 2010. In Auffanglagern im Norden Griechenlands leben Migranten und Asylwerber unter menschenunwürdigen Bedingungen. Männer, Frauen und Kinder sind in überfüllten Lagern in gemeinsamen Zellen untergebracht, müssen neben Sanitäranlagen auf dem Boden schlafen oder dürfen tagelang nicht in den Hof gehen.

In den vergangenen zwei Monaten ist die Zahl derer, die ohne offizielle Papiere über die Grenze mit der Türkei in die griechische Region Evros gekommen sind, dramatisch gestiegen. Täglich kommen dort 200 bis 300 Menschen an. Ärzte ohne Grenzen/ Médecins sans Frontières (MSF) hat in der Region einen Noteinsatz begonnen. Die griechische Regierung muss menschenwürdige Bedingungen für die aufgenommenen Asylwerber und Migranten gewährleisten. Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten müssen die Verantwortung für neu ankommende Asylwerber und Migranten teilen, statt sich auf restriktive Maßnahmen wie den Einsatz von Frontex-Teams zur Sicherung der Außengrenzen zu konzentrieren.

Menschenunwürdige Bedingungen

Ärzte ohne Grenzen hat die menschenunwürdigen Bedingungen im November in den Auffanglagern Venna und Fylakio sowie in den Polizeigrenzstationen Soufli, Tychero und Feres dokumentiert. Auffanglager mit mehr als hundert Menschen haben in der Regel nur zwei Toiletten und zwei Duschen, es gibt zu wenig Reinigungsmittel und Hygieneartikel. Obwohl es in den meisten Lagern Ärzte und Krankenschwestern sowie eine Psychologin des Gesundheitsministeriums gibt, sind die medizinischen Dienste unzureichend. Es fehlt an medizinischem Personal, es gibt keine Übersetzer und neu ankommende Migranten werden nicht medizinisch untersucht. Zudem erhalten die Migranten und Asylwerber wenig oder keine Information über ihren legalen Status und das Auffangsystem.

„Was wir jeden Tag in den Auffanglagern sehen, ist nicht einfach zu beschreiben“, sagt Ioanna Pertsinidou, Nothilfekoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen. „In der Tychero Polizeistation zum Beispiel, die eigentlich Kapazität für 45 Menschen hat, haben wir 130 Festgenommene gezählt. In Feres haben wir letzte Nacht Schlafsäcke an 115 Festgehaltene verteilt, obwohl dort nur Platz für 35 Menschen ist. In Soufli, wo die Temperaturen im Winter oft unter Null Grad sinken, funktioniert die Heizung nicht und es gibt kein heißes Wasser. Im Auffanglager Fylakio waren vor einigen Tagen mehrere Zellen mit Abwässern aus kaputten Toiletten überflutet. Ärzte ohne Grenzen hat die Zellen und Toiletten desinfiziert. Wir haben in den Auffanglagern viele unbegleitete Minderjährige gesehen, die mit Erwachsenen zusammen festgehalten werden. Es ist den Menschen tagelang verboten, in den Hof hinaus zu gehen. Viele sind gezwungen, wochen- oder monatelang unter diesen inakzeptablen Bedingungen zu leben.”

Ärzte ohne Grenzen leistet in Evros seit Anfang Dezember medizinische Hilfe und kümmert sich um die Verbesserung der Lebensbedingungen in den Auffanglagern. In den Polizeigrenzstationen in Tychero and Soufli behandeln zwei Ärzte die Migranten medizinisch, die meisten von ihnen leiden aufgrund der widrigen Lebensumstände unter Atemwegs- und Hautinfektionen. Ein Logistiker kümmert sich um die Verbesserung der Sanitärsituation innerhalb der Einrichtungen, zudem verteilt Ärzte ohne Grenzen Schlafsäcke.