Griechenland: Tausende stecken unter prekären Bedingungen an der mazedonischen Grenze fest

08.07.2015
Zahl der Menschen in der Region Idomeni verzehnfacht - Ärzte ohne Grenzen leistet seit April vor Ort Hilfe und verstärkt ab Juli die Aktivitäten mit einem zusätzlichen Team.
Idomeni migration route, Greece
Alessandro Penso
Idomeni, Mazedonien, 06.06.2015: Rund 150 Menschen aus Syrien versuchen, die griechische Grenze zur ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien zu überqueren. Sie hoffen auf Anerkennung des Flüchtlingsstatus in Ländern wie Deutschland oder Schweden.

Im Laufe der vergangenen Woche hat sich die Anzahl der Menschen, die in Idomeni gestrandet sind, verzehnfacht. Das Dorf liegt inmitten strauchiger Wälder an der Grenze zwischen Griechenland und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien (EJRM). Ärzte ohne Grenzen bietet seit April vor Ort medizinische Hilfe an, leistet psychologische Unterstützung und verteilt Hilfsgüter. Ab Juli verstärkt die Organisation die Aktivitäten in der Region mit einem zusätzlichen mobilen Team.

Die mazedonische Polizei sowie Sonderkommandos haben kürzlich die Grenzkontrolle im Gebiet verstärkt. Daher sind mehr als 2.000 Migranten und Migrantinnen sowie Flüchtlinge auf ihrer Reise nach Nordeuropa in Idomeni gestrandet. Manche von ihnen versuchen nun, an anderen Stellen die Grenze zu überqueren.

Flucht vor Krieg und Gewalt

Die meisten Menschen, die von den medizinischen Teams von Ärzte ohne Grenzen behandelt werden, sind auf der Flucht vor Krieg und Gewalt in Syrien, Afghanistan und dem Irak. Einige sind als besonders gefährdete Gruppen einzustufen, darunter ältere oder behinderte Menschen, Schwangere und Kinder im Alter von unter fünf Jahren. Viele leben unter prekären Bedingungen draußen in den Wäldern oder am Bahnhof – ohne ein Dach über dem Kopf, Essen oder Zugang zu Sanitäranlagen.

 „Die Situation wird sich noch weiter verschlechtern, falls mehr Menschen hier her kommen. Es gibt keinerlei Basis-Infrastruktur und sie haben Angst davor, was als Nächstes passieren wird“, so Antonis Rigas, Projektkoordinator von Ärzte ohne Grenzen in Idomeni. „Viele sind dazu gezwungen, ein großes Risiko einzugehen, um nicht aufgegriffen zu werden. Trauriger Weise gab es auch bereits einige Todesfälle entlang der Grenze. Es ist absurd, dass Menschen, die vor Krieg und Gewalt fliehen, gezwungen werden, ihr Leben zu riskieren, um endlich in Ländern in Sicherheit zu sein, die ihren Schutz gewährleisten können.“

Medizinische und psychologische Hilfe verstärkt

Die mobilen medizinischen Teams von Ärzte ohne Grenzen besuchen momentan die Region an fünf Tagen pro Woche. Sie bieten medizinische Hilfe an, leisten psychologische Unterstützung und verteilen Hilfsgüter wie Decken, Energieriegel und Seife. Im Laufe der vergangenen Woche hat Ärzte ohne Grenzen durchschnittlich 85 Menschen pro Tag behandelt. Außerdem hat die Organisation zwei Wasserstellen errichtet.

Ab Juli weitet Ärzte ohne Grenzen die Hilfsaktivitäten aus und setzt vor Ort ein zweites mobiles Team ein. So kann im Gebiet rund um Idomeni an sieben Tagen pro Woche durchgängig Hilfe gewährleistet werden.

Gefährliche Reise in ein neues Leben

Zu den häufigsten gesundheitlichen Problemen zählen Atemwegserkrankungen, Hautinfektionen, Muskelschmerzen und Erkrankungen des Verdauungstrakts – all das kann direkt auf die Lebensbedingungen während der Reise zurückgeführt werden. Viele Patienten und Patientinnen leiden unter Muskelschmerzen und haben Blasen an den Füßen, nachdem sie die mehr als 70 Kilometer von Thessaloniki zu Fuß zurücklegen mussten. Denn der Zugang zu öffentlichen und privaten Verkehrsmitteln zu den Grenzen ist ihnen verwehrt.

“Viele dieser Menschen haben traumatische Erlebnisse in ihren Heimatländern erlitten. Danach mussten sie eine anstrengende und gefährliche Reise auf sich nehmen“, erzählt die Psychologin Aggela Boletsi von Ärzte ohne Grenzen. „Nun werden sie zusätzlich auch noch von Grenzwachebeamten traktiert und angeschrien. Polizisten schießen in die Luft, um sie draußen zu halten, und wir haben auch Patienten mit Blessuren behandelt, die berichteten, von Grenzwachebeamten geschlagen worden zu sein. Natürlich sind jetzt viele sehr verängstigt, nachdem sie mit einem derart harten Umgang konfrontiert wurden.“

Ärzte ohne Grenzen startete Ende 2014 ein Projekt am Balkan, um Migranten und Migrantinnen sowie Flüchtlingen zu helfen, die aus der Türkei und über den Balkan versuchen, Westeuropa zu erreichen. Momentan sind zwei Einsatzteams und Serbien und drei in Griechenland vor Ort. Sie leisten medizinische und psychologische Hilfe und verteilen essentielle Hilfsgüter. Die Teams befinden sich bei den Ankunftspunkten auf griechischen Inseln sowie entlang der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien, Mazedonien und Serbien sowie Serbien und Ungarn.

Lesen Sie hier Berichte von Menschen aus Idomeni: "Auf der Flucht nach Europa"