Flucht durch Mexiko - Teil 2

15.05.2014
Teil 2 des Interviews mit dem medizinischen Koordinator Emilio Lucero

Der Argentinier Emilio Lucero ist vor Kurzem aus Mexiko zurückgekehrt, wo er ein Jahr als medizinischer Koordinator gearbeitet hat.  Ein Großteil der Menschen, denen Ärzte ohne Grenzen hier Hilfe leistet, sind MigrantInnen, die von Mittelamerika in die USA unterwegs sind. Hinzu kommen PatientInnen aus dem Bundesstaat Oaxaca, die an  Chagas  leiden – einer parasitären Erkrankung, die durch Raubwanzen übertragen wird. Auch um Gewaltopfer aus einem Viertel von Acapulco kümmern sich unsere Teams.

Fortsetzung des Interviews  "Flucht aus Mexiko"  über die Herausforderungen vor Ort:

 

In Mexiko behandelt Ärzte ohne Grenzen auch PatientInnen, die an der vernachlässigten Krankheit Chagas leiden. Die Organisation hat vor kurzem ein Chagas-Projekt im Bundesstaat Oaxaca eröffnet. Erzählen Sie uns noch etwas mehr davon.

 

Die Grundidee ist, unsere 12-jährige Erfahrung auf dem Gebiet der Chagas-Krankheit dem Gesundheitssekretariat von Mexiko weiterzugeben. Es handelt sich um ein Pilotprojekt, das wir fachlich begleiten. Wir von Ärzte ohne Grenzen behandeln die PatientInnen nicht selber, aber wir schulen das mexikanische Personal und unterstützen die Einrichtungen während der ersten Monate unserer Intervention mit Arzneimitteln. Die Absicht ist, ein umfassendes Projekt zu entwickeln, das in das Gesundheitswesen in der Stadt San Pedro Pochutla im Bundesstaat Oaxaca integriert wird und später auf andere Städte übertragen werden kann.

 

Sind die erforderlichen Arzneimittel im Land erhältlich?

 

Die erste Sendung Benznidazole, das Medikament, das wir in den meisten Ländern für die Therapie einsetzen, ist soeben in Mexiko angekommen. Noch ist dieses Arzneimittel nicht im staatlichen Programm zur Erstbehandlung aufgeführt, welches die wichtigen Medikamente umfasst, die für die ambulante Behandlung zugelassen sind. Der nächste Schritt ist, dass Benznidazole zusammen mit Nifurtimox ins Basisprogramm aufgenommen wird und damit für alle zugänglich ist, die es benötigen. Nifurtimox wird üblicherweise verabreicht, wenn Benznidazole wegen der starken Nebenwirkungen nicht hilft.

 

Ist Chagas gut bekannt in Mexiko?

 

Chagas ist eine vernachlässigte Krankheit. Doch obwohl Chagas auf Ebene des staatlichen Gesundheitssekretariats als Krankheit anerkannt ist, wissen im Allgemeinen die wenigsten MitarbeitInnen der Gesundheitszentren, ÄrztInnen und Pflegekräfte oder die Bevölkerung darüber Bescheid.

Das erste nationale Protokoll zur Diagnose und Behandlung von Chagas wird unter der Leitung des „Nationalen Zentrums für Programme zur Prävention und Bekämpfung von Krankheiten“ durchgeführt und von Ärzte ohne Grenzen unterstützt. Es steht unmittelbar vor der Anerkennung.

 

Gibt es Chagas im ganzen Land?

 

Ja. Die Erreger sind Einzeller, die durch Wanzen übertragen werden und im ganzen Land auftreten – im Dschungel genauso wie in der Umgebung von Häusern oder innerhalb von Häusern. Innerhalb von Häusern ist der Erreger im Hinblick auf eine Ansteckung der gefährlichste. Der Grad der Verbreitung ist in der Region, in der wir zu arbeiten planen, nicht bekannt. In der Bevölkerung dürfte die Rate für Chagas zwischen 4 und 12 Prozent liegen.

 

Ärzte ohne Grenzen plant, Gewaltopfer in einem Problemviertel von Acapulco zu behandeln. Wie genau ist dieses Projekt aufgebaut?

 

Colonia ist ein Viertel von Acapulco, das eine hohe Gewaltrate aufweist. Ärzte ohne Grenzen plant, dort innerhalb von bestehenden Gesundheitseinrichtungen psychologische Hilfe anzubieten. Diese Einrichtungen werden vom Gesundheitssekretariat betrieben. Die Herausforderung besteht in einer guten Zusammenarbeit mit der Bevölkerung; deren Unterstützung ist ausschlaggebend für die Arbeit in Gegenden mit hohem Sicherheitsrisiko. Wir setzen nun am Anfang einen Psychologen ein, der PatientInnen in einer kleinen Einrichtung auf dem Gelände einer Kirche betreuen wird. Die Kirche hat uns den Platz zur Verfügung gestellt, was für uns besonders wichtig ist, da die Kirche gute Beziehungen zur Gemeinschaft pflegt. Dann werden wir das Projekt aufstocken und Psychologen entsenden, die in den Gesundheitseinrichtungen vor Ort arbeiten werden. Wir werden auch ein Netzwerk von Gesundheitshelfern haben, die für Familien, die dies nötig haben, psychologische Unterstützung zu Hause anbieten. Diese Gesundheitshelfer  werden die Bevölkerung vor Ort auch für mentale Gesundheit sensibilisieren.

Wir suchen für unsere Hilfsprojekte in aller Welt dringend PsychologInnen und weitere Berufsgruppen! Jetzt informieren & bewerben: Auf Einsatz gehen