Ein Frühwarnsystem, mobile Kliniken, dazu süßer Tee mit Kamelmilch

29.07.2019
Das Leben vieler Menschen in der östlichen Somali-Region ist abhängig vom Regen. Die Mobilität der Bevölkerung stellt die Gesundheitsversorgung vor besondere Herausforderungen. Mit 17 mobilen Kliniken bringen wir medizinische Hilfe auch in entlegene Gegenden.

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MSF Mobile Clinics and Tea Teams Somali Region
Susanne Doettling/MSF
Male patients waiting in the shadow of an MSF land cruiser.

Das Leben vieler Menschen in der östlichen Somali-Region ist abhängig vom Regen. Sie leben von der Viehwirtschaft und ziehen umher, auf der Suche nach fruchtbarem Weidegrund. Die Mobilität der Bevölkerung und die weiten Entfernungen zwischen den Gemeinden stellen die Gesundheitsversorgung vor besondere Herausforderungen. Mit 17 mobilen Kliniken bringen wir medizinische Hilfe auch in entlegene Gegenden. Damit wir wissen, an welchen Orten sich welche Gesundheitsbedürfnisse entwickeln, arbeiten wir seit Kurzem mit sogenannten „Tee-Teams“. Sie pflegen den Kontakt zu lokalen Gemeinden, bieten Gesundheitsberatungen an und sammeln wertvolle Informationen, wo unsere Hilfe am Dringendsten gebraucht wird.  

Das Leben eines Viehhirten in der Somali-Region in Äthiopien zu führen, bedeutet, von Ort zu Ort zu ziehen und nach Wasser und Weideplätzen zu suchen. Zuverlässige Quellen, die vom heißen, trockenen Klima nicht betroffen sind, sind rar. Umso wichtiger sind die saisonalen Regenfälle, die meist im April kommen. Sie sollen für volle Teiche sorgen und sind die Grundlage für fruchtbares Grün für die Tiere, die im Gegenzug Milch und Fleisch liefern. Was passiert, wenn der Regen ausbleibt, zeigte die verheerende Dürre 2017. Damals gingen 75 Prozent des Viehbestands in der Somali Region verloren.

Für die Bevölkerung hat die unsichere Wasserversorgung noch weitere schwerwiegende Konsequenzen. Viele Gesundheitsprobleme, wie Infektionen der Atemwege oder Harnwegsinfektionen, sind auf die Nutzung von verschmutztem Wasser zurückzuführen. Hinzukommt, dass das bestehende Gesundheitssystem nicht auf die großen Entfernungen zwischen den Dörfern ausgerichtet ist oder auf Hirten, die ständig in Bewegung sind. Aus diesem Grund hat Ärzte ohne Grenzen sogenannte "Tee-Teams" ins Leben gerufen.

„Es hilft sehr, dass wir von hier sind. Wir teilen die gleiche Lebensweise“

Die Teams übernehmen die Aufgabe eines dynamischen, gemeindebasierten Kontroll- und Reaktionssystems, um die am stärksten gefährdeten und schwer zugänglichen ländlichen Gemeinschaften zu erreichen. Ihren Namen haben sie von ihrer Arbeit: Kamele und Ziegen sind von zentraler Bedeutung für die somalische Kultur und süßer schwarzer Tee, serviert mit Kamelmilch, gehört zum Zeremoniell bei somalischen Treffen. Die Tee-Teams, die in der Regel aus ein bis zwei Gesundheitsberatern und einem Krankenpfleger bestehen, treffen sich regelmäßig mit einflussreichen Gemeindemitgliedern. Sie sammeln Informationen über die medizinischen Bedürfnisse vor Ort und helfen, die Bewegungsmuster der Viehhalter zu verstehen.

„Unsere Kontakte sind Gemeindevorsteher, traditionelle Heiler oder Geburtshelfer, Kamelhändler, Teestuben-Besitzer und Friseure. Sie sind sachkundig und respektiert in ihrer Gemeinschaft“, erklärt Mubarak. Er ist Gesundheitsberater in einem Tee-Team und stammt aus der Somali-Region. „Es hilft sehr, dass wir die gleiche Sprache sprechen und von hier sind. Wir kennen uns. Wir teilen die gleiche Lebensweise und stehen zu Hause vor den gleichen Herausforderungen. Wir alle haben in früheren Dürren Vieh und Familienmitglieder verloren.“

Zu Mubaraks Team gehören noch Ridwan, ebenfalls aus der Region, und der ruandische Krankenpfleger Olivier. Innerhalb von drei Monaten haben sie ein umfangreiches Netzwerk von 50 lokalen Kontakten an 16 abgeschiedenen Standorten aufgebaut. „Wassermangel, Hautinfektionen und Durchfall sind weit verbreitet. Wann immer wir einen Anstieg der Krankheitsfälle feststellen, organisieren wir Fokusgruppen-Diskussionen für Betroffene, wie z.B. Mütter mit kleinen Kindern“, sagt Mubarak. „Wir respektieren ihre Herangehensweise und ihr Wissen und integrieren es in unsere Gesundheitsbotschaften. Es geht darum, unser aller Leben zu verbessern. Deshalb haben die Gemeinden unsere Aktivitäten schnell akzeptiert.“

Gesundheitsversorgung da, wo sie gebraucht wird

In dieser isolierten Region ist es selbst unter normalen Umständen nahezu unmöglich, eine rechtzeitige Notfallversorgung zu erhalten. Die Entfernungen zu Gesundheitseinrichtungen sind überwältigend und für eine Bevölkerung von 300.000 Menschen gibt es nur wenige Krankenwägen. Ausbleibende Regenfälle und anhaltende Dürren in den letzten Jahren zwangen insbesondere die Familien von Viehhirten, weite Strecken zu reisen, um Wasser, Nahrung und Weideland zu suchen. Zudem führten die instabile Nahrungs- und Wassersituation und die ungenügende Versorgung mit Gesundheitsdiensten zu Krankheitsausbrüchen und einem Anstieg an Fällen von Mangelernährung.

Auch um dieser Herausforderung zu begegnen, liefern die Tee-Teams wertvolle Informationen. Sie helfen uns dabei, 17 mobile Kliniken in der Region zu betreiben. Darüber hinaus kümmern sich die Tee-Teams um mehr als 30 Kontrollstandorte in abgelegenen Gebieten, um Krankheiten frühzeitig erkennen und rechtzeitig auf Notfälle reagieren zu können. Seit Anfang 2019 nehmen kontinuierlich mehr Patientinnen und Patienten unsere Hilfe in Anspruch – ein guter Indikator dafür, dass wir die richtigen Standorte und Gemeinden erreichen.

Bis Ende März behandelten unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Region mehr als 4.500 Patientinnen und Patienten, vor allem aufgrund von Infektionen der Atemwege, Haut- und Harnwegsinfektionen. Die Zahl der schwangeren Frauen, die zur Schwangerschaftsvorsorge kommen, hat sich im März auf mehr als 400 Konsultationen verdoppelt. Bereits seit den 1980er Jahren arbeitet Ärzte ohne Grenzen in der Somali-Region in Äthiopien und unterstützt verschiedene staatliche Gesundheitseinrichtungen.