Côte d’Ivoire: Notfallversorgung für Mutter und Kind

10.06.2015
Eine neue eröffnete Station im Regionalkrankenhauszentrum Katiola ermöglicht, bei Notfällen vor oder während einer Geburt Hilfe zu leisten – ein weiterer Schritt zur Senkung der hohen Mütter- und Kindersterblichkeitsraten in der Elfenbeinküste.
Côte d’Ivoire: Notfallversorgung für Mutter und Kind
Jean-Christophe Nougaret/MSF
Katiola, Elfenbeinküste, 16.04.2015: Ein wenige Tage altes Baby auf der Mutter-Kind-Station im Referenzkrankenhauszentrum Katiola.

Seit einem Jahr besteht nun das Hilfsprogramm von Ärzte ohne Grenzen im Regionalkrankenhauszentrum Katiola, um eine bessere Gesundheitsversorgung für Mütter und Kinder zu gewährleisten. Nun wird im Krankenhaus eine neue Station eröffnet, um Hilfe bei Notfällen vor oder während einer Geburt Hilfe zu leisten – ein weiterer Schritt zur Senkung der hohen Mütter- und Kindersterblichkeitsraten im Land.

Das öffentliche Gesundheitssystem der Elfenbeinküste wurde durch jahrelange Instabilität und Unsicherheit stark beeinträchtigt – es gibt weder ausreichend Einrichtungen noch genügend qualifizierte Fachkräfte. Auch Schwangere und ihre Kinder leiden unter einem Mangel an medizinischer Versorgung, was zu einer besonders hohen Rate an Müttersterblichkeit führte. Ärzte ohne Grenzen startete daher im Juli 2014 ein Programm für Schwangere und Neugeborene im Regionalkrankenhauszentrum Katiola. Im Juli 2015 wird nun eine neue Station zur Versorgung von Notfällen eröffnet.

Die Teams von Ärzte ohne Grenzen waren bereits in den Mutter-Kind-Stationen in Duékoué und Abobo tätig, als vor einem Jahr das zusätzliche Programm in Katiola im Norden von Bouaké gestartet wurde. Die Aktivitäten werden in Zusammenarbeit mit dem ivorischen Gesundheitsministerium und „Fight against AIDS“ (Kampf gegen AIDS) durchgeführt.

Bei 100.000 Geburten sterben mehr als 600 Frauen

Madeleine und ihr medizinisches Team im Katiola-Krankenhaus haben eine lange und aufreibende Nacht hinter sich. Doch nun kann sie sich entspannen. Madeleine wurde aufgrund eines befürchteten Nabelschnurvorfalls einer „Stufe Rot“-Notoperation zugeteilt – der Vorfall hätte zum Ersticken des Kindes führen können. Doch die Nabelschnur hatte sich stattdessen um den Hals des Babys gewickelt. Glücklicherweise konnte das französisch-ivorische Chirurgieteam im brandneuen Operationssaal, der erst wenige Tage zuvor Ende April eröffnet worden war, einen Kaiserschnitt durchführen.

Meryll Amsallem/MSF
Eine Schwester von Ärzte ohne Grenzen kümmert sich in der Station um ein Neugeborenes.

„Diese Region hat sehr hohe Sterblichkeitsraten bei Müttern und Kindern: Bei 100.000 Geburten sterben mehr als 600 Frauen, vergleichen zu weniger als 10 in Frankreich“, erklärt Dr. Olivier Dro, stellvertretender Leiter der Hilfsprogramme von Ärzte ohne Grenzen in Côte d’Ivoire. Von 1.000 Geburten sterben 68 Kinder vor ihrem fünften Lebensjahr. „Diese Zahlen belegen den eklatanten Mangel an vorgeburtlicher, geburtshilflicher und nachgeburtlicher Betreuung sowie bei der Versorgung von Komplikationen, die während der Schwangerschaft, der Geburt sowie danach auftreten können. Aufgrund des Mangels an medizinischen Einrichtungen und ungleichmäßig verteiltem Fachpersonal werden derzeit nur rund 6 von 10 Geburten professionell begleitet. Die medizinische Versorgung ist aktuell nicht nur unzureichend, sondern auch unregelmäßig über das Land verteilt.“

Sicherheit für Mutter und Kind muss gewährleistet werden

Cécile Brucker ist Krankenschwester und medizinische Koordinatorin des Projekts und erläutert die Prioritäten: „Frauen in der Region müssen die Möglichkeit haben, in völliger Sicherheit für Mutter und Kind zu gebären, deshalb bieten wir für Notfälle gynäkologische, geburtshilfliche und Neugeborenen-Versorgung an. Weiters führen wir momentan ein großes Renovierungsprojekt durch, im Rahmen dessen neue Gebäude entstehen und spezialisierte Stationen entsprechend ausgerüstet werden sowie das Krankenhaus-Personal unterstützt und weitergebildet wird.“

In den ersten drei Monaten des Jahres 2015 wurden in Katiola rund 300 Geburten monatlich begleitet; davon ca. zehn Prozent mittels Kaiserschnitt. Notfälle in den Bereichen Geburtshilfe und Neugeborenen-Versorgung können nun in der Neugeborenen-Station versorgt werden, die im Juli 2015 eröffnen wird. Bisher wurden Patientinnen, die sich den Transport und Medikamente leisten konnten, an das Universitätskrankenhaus in Bouaké überwiesen.

Jean-Christophe Nougaret/MSF
Bei rund einer von zehn Geburten ist aufgrund einer Komplikation ein Kaiserschnitt nötig - in solchen Fällen steht ein chirurgisches Team bereit: Ein Chirurg oder eine Chirurgin, eine OP-Pflegefachkraft und zwei Krankenpflegefachkräfte.

„Wir haben uns wirklich Zeit genommen, um mit unseren Partnern vom Gesundheitsministerium und dem Katiola-Krankenhaus ein gemeinsames Projekt aufzubauen, das wirklich die Bedürfnisse von Mutter und Kind erfüllt. Denn dieser Bereich ist hier in dieser Region ein öffentlicher Gesundheitsnotfall“, ergänzt Cécile.

Auch Spitalsadministrator Jean-Yves Bailly begrüßt die Zusammenarbeit: „Wir schätzen den Zugang von Ärzte ohne Grenzen, da er wirklich innovativ ist. Wir waren am Entscheidungsfindungsprozess beteiligt und unsere Arbeitsabläufe wurden berücksichtigt. Dieses Projekt ist genau zur richtigen Zeit entstanden, da Katiola erst kürzlich das Referenzkrankenhaus für die Region Hambol wurde. Es gab uns die Chance, die Qualität unserer technischen Möglichkeiten zu erweitern – vom Bau über die Ausrüstung bis zum Training des Personals.“

Großangelegtes Renovierungsprojekt

Im Rahmen des Projekts wurden die Operationssäle des Krankenhauses sowie die Sterilisationsabteilung völlig renoviert und neu ausgestattet. Auch das medizinische Testlabor und die Blutbank wurden erneuert – diese Bereiche sind essentiell, um bei chirurgischen Notfällen und schweren Blutungen rasch reagieren zu können. „Die übrigen Arbeiten werden diesen Sommer fertiggestellt: Die Erneuerung der Elektroinstallationen, ein neues System für Recycling und Entsorgung der Krankenhausabfälle, Bohrungen, Lagerräume, Abwassermanagement und Bestellsystem“, so Beatrice Wibaux, Koordinatorin des Bauprojekts. „In der letzten Bauphase werden die Wäscherei, die biomedizinische Logistik-Abteilung, die Küche und der Waschbereich für Besucher ausgestattet. Außerdem erneuern wir die Mutter-Kind-Station mit einer zusätzlichen Neugeborenen-Station und einer 20-Betten-Einrichtung für Mütter nach der Geburt.“

Meryll Amsallem/MSF
Eine Mutter mit ihrem Kind in der Mutter-Kind-Station.

Die anhaltende Krise im Land hat die öffentlichen Gesundheitsleistungen untergraben; Gesundheitsfachkräfte sind nur unregelmäßig über das Land verteilt und technische Ausrüstungen veraltet. Muriel Durand ist für das Training der Pflegefachkräfte zuständig und erklärt: „In Katiola haben unsere Teams bereits eine grundlegende Ausbildung und oft schon Berufserfahrung als Pflegehelfer, Krankenpfleger oder Hebammen. Meine Aufgabe ist es, einige Routineabläufe wie im Bereich Hygiene wieder aufzufrischen und wichtige Themen aufzugreifen wie die Früherkennung von Risikogeburten. Im Fall einer Komplikation zählt jede Minute.“

Hilfe in ländlichen Gesundheitszentren

Nach der Erneuerung der technischen Ausrüstung im Katiola Krankenhaus wurde im Mai der letzte Schritt des Projekts gesetzt: Ein Programm zur Unterstützung eines Netzwerkes ländlicher Gesundheitszentren. Ziel ist, Müttern und Kindern dezentralisiert qualitativ hochwertige medizinische Versorgung anzubieten. „Wir werden die Zentren auf unterschiedliche Weise unterstützen – von der Renovierung der Infrastruktur über medizinische Ausrüstung bis zu Weiterbildungen des Personals“, erklärt Cécile Chesneau, die für dieses Projekt zuständig ist. „Wir wollen so entsprechend zur Erweiterung der Kapazitäten im Katiola Krankenhaus auch einen dezentralisierten Ansatz verfolgen, um die Mütter- und Kindersterblichkeitsraten zu senken. Rund die Hälfte der Kinder wird in dieser Region der Elfenbeinküste zuhause geboren. Bei Komplikationen ist die Entfernung zur nächsten Gesundheitseinrichtung ein großes Problem für die Gesundheit von Mutter und Kind.“

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