Biltine: „Jedes vierte Kind ist mangelernährt“

03.05.2012
Wasser und Nahrung im Osten immer knapper

Themengebiet:

Tschad 2012
Andrea Bussotti/MSF
Sinetaye, Tschad, 25.04.2012: Auch im Distrikt Yao richtete Ärzte ohne Grenzen ein Ernährungsprogramm ein.

Nahrung und Wasser sind knapp in der Stadt Biltine im Osten des Tschad, und die Vorräte mancher Familien reichen nur noch für die nächsten zwei Wochen. Die Zahl mangelernährter Kinder steigt rapide. In anderen Teilen des Landes gibt es Ausbrüche von Masern und Meningitis.  „Jedes vierte Kind ist mangelernährt“, berichtet  Kodjo Edoh von Ärzte ohne Grenzen.  „Die Sterblichkeitsrate dieser Kinder zu reduzieren, ist unsere oberste Priorität.“

Selbst in einem „guten“ Jahr haben viele Menschen im Tschad während der kargen Jahreszeit von April bis September nicht genügend zu essen, und in diesen Monaten leiden tausende Kinder an akuter Mangelernährung. Doch niemand geht davon aus, dass 2012 ein gutes Jahr sein wird. Im letzten Jahr sind die Regenfälle ausgeblieben und die Lebensmittelpreise steigen weiter an. Laut dem Landwirtschaftsministerium liegen die Preise heute fast 25 Prozent höher als im vergangenen Jahr zur gleichen Zeit. Im Tschad reichen, wie in anderen Ländern entlang der Sahel-Zone, unterdurchschnittliche Regenfälle oder überdurchschnittliche Lebensmittelpreise aus, um Teile des Landes in eine ernste Ernährungskrise zu stürzen.

An den Mahlzeiten sparen

In der Stadt Biltine im Osten des Tschad reichen die Vorräte mancher Familien nur noch für die nächsten zwei Wochen, obwohl wir erst April haben. „Viele Familien haben nur noch Vorräte für einen halben Monat. Sie mussten die Zahl ihrer täglichen Mahlzeiten reduzieren“, beschreibt Kodjo Edoh, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen. „Auch die Vielfalt der Nahrungsmittel hat sich verringert.“

Aber nicht nur die Lebensmittel sind knapp, auch die Versorgung mit Wasser wird in der Region um Biltine immer kritischer. „Manche Menschen müssen mehr als sieben Stunden laufen, um Wasser zu holen“, berichtet Dr. Edoh. „Das Problem ist gravierend: Die Wasserknappheit steht in direktem Zusammenhang mit der Mangelernährung der Kinder.“

Eröffnung eines Ernährungsprogrammes

Im Februar stellte ein Team von Ärzte ohne Grenzen fest, dass in Biltine jedes vierte Kind unter fünf Jahren akut mangelernährt war. Als Notfallmaßnahme eröffnete Ärzte ohne Grenzen im April ein Ernährungsprogramm, das in der ersten Woche 67 Kinder zur Behandlung aufnahm, darunter acht Kinder, die so stark mangelernährt waren, dass sie intensive stationäre Pflege benötigten. Das Programm wird über die nächsten neun Monate weitergeführt.

Nahrungsmittelverteilungen dringend notwendig

„Unser Hauptanliegen ist es, die Sterblichkeitsrate von stark mangelernährten Kindern unter fünf Jahren zu reduzieren. Sie liegt derzeit bei 25 Prozent. Wir versorgen die Kinder medizinisch, unter anderem mit therapeutischen Nahrungsmitteln“, sagt Edoh. Außerdem müsse das Welternährungsprogramm (WFP) in Biltine sobald wie möglich allgemeine Nahrungsmittelverteilungen beginnen. „Wir müssen verhindern, dass die anderen drei Viertel der Kinder ebenfalls mangelernährt werden. Diese Nahrungsmittelverteilungen werden dringend gebraucht.“

In weiten Teilen Tschads gibt es keine medizinische Versorgung. Das macht die Menschen besonders anfällig für Mangelernährung, aber auch für Infektionskrankheiten. Im bereits länger laufenden Projekt von Ärzte ohne Grenzen in Am Timan, im Südosten des Landes, steigt die Zahl der Mangelernährten derzeit ebenfalls schnell an, ein Ausbruch von Masern verschlimmert die Situation noch.

Masernausbruch

„Von Januar bis März haben wir 1.600 mangelernährte Kinder aufgenommen, fast doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres“, so Edoh. „Als sei das nicht genug, gab es außerdem einen Masernausbruch. Wir sind ernsthaft besorgt, denn eine Masernerkrankung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind auch mangelernährt wird.“

In zwölf Distrikten des Landes wird außerdem ein Anstieg der Meningitis-Fälle gemeldet. Sieben Distrikte haben einen Ausbruch erklärt, darunter Am Timan. Landesweit wurden bis Ende April 3.190 Meningitis-Fälle registriert, 145 Menschen sind bislang an der Krankheit gestorben. Ärzte ohne Grenzen hat in Oum Hadier, Moissala, Massakory und Lere Impfkampagnen für rund 640.000 Personen im Alter von ein bis 30 Jahren organisiert. Zudem behandeln Teams an Meningitis Erkrankte und stellen medizinisches Material zur Verfügung.