Bangladesch: „Wir sollten keine Fälle von Diphtherie mehr sehen“

29.01.2018
Die Ärztin Rosie Burton war im Rahmen unserer Hilfe für die aus Myanmar geflohenen Rohingya in Bangladesch. Dort hat sie Diphtherie-Patienten und -Patientinnen behandelt. Das ist keine einfache Aufgabe. Denn es fehlt ein modernes Gegenmittel.
Rohingya refugees in Bangladesh
Anna Surinyach
Jamila, aged 10, is examined by a doctor in MSF's clinic in Uchiparang makeshift settlement after showing symptoms of diptheria, a bacterial infection that affects the mucus membranes of the throat and nose.

Die britische Ärztin Rosie Burton war im Rahmen unserer Hilfe für die aus Myanmar geflohene Bevölkerungsgruppe der Rohingya in Bangladesch. Dort hat sie Diphtherie-Patienten und -Patientinnen behandelt. Das ist keine leichte Aufgabe. Denn für diese Kinderkrankheiten fehlt ein modernes Gegenmittel. Da Diphtherie-Ausbrüche weltweit so selten sind, wird das Gegenmittel immer noch aus Pferdeblut hergestellt. Diese antiquierte Herstellungsweise kann zu Komplikationen in der Behandlung führen.

„Heutzutage sollten wir keine Fälle von Diphtherie mehr sehen. Denn gegen diese hochgradig tödliche Kinderkrankheit existiert eine wirksame Impfung, die normalerweise Teil der Basis-Schutzimpfungen ist. Wenn Diphtherie auftritt, weist das darauf hin, dass die Impfprogramme zusammengebrochen sind. In Myanmar haben die Rohingya nur sehr eingeschränkten Zugang zu medizinischer Grundversorgung. In den vergangenen Monaten sind mehr als 688.000 Menschen aus Myanmar geflohen. Jetzt leben sie in riesigen überfüllten Lagern mit unzureichendem Zugang zu Unterkünften, Wasser, Nahrung und medizinischer Versorgung – also unter Bedingungen, die den Ausbruch von Infektionskrankheiten begünstigen.

Diphtherie produziert ein Gift, das sich im Körper ausbreitet

Die meisten Patienten und Patientinnen mit Diphtherie haben Fieber, Halsschmerzen und Schluckbeschwerden. Für manche Menschen kann das sehr ernst werden. Sie haben Schwierigkeiten beim Atmen und ihre Mandeln können sich entzünden. Diphtherie kann eine Schwellung des Halses verursachen, die die Atemwege einengen oder sogar blockieren kann. Dies passiert oft bei Kindern und kann dazu führen, dass sie ersticken.

Was Diphtherie zu so einer gefährlichen Infektion macht, ist, dass sie ein Gift produziert, das sich im Körper ausbreitet. Das kann zu schweren Komplikationen führen, die bis zum Herzstillstand reichen. Ein Teil der Behandlung besteht also darin, den Betroffenen ein Gegengift zu verabreichen. Doch auch hier können Komplikationen auftreten, denn das Gegengift wird aus Pferdeblut hergestellt. Da Ausbrüche von Diphtherie so selten sind, gibt es keine wirtschaftlichen Anreize für Pharmaunternehmen, eine moderne Variante aus dem Labor zu entwickeln. Also muss das Gegengift immer noch auf diese antiquierte Art hergestellt werden.

Auch das Gegengift kann zu Komplikationen führen

Produkte aus Pferdeblut enthalten jedoch eine hohe Rate an Allergenen, die bei Menschen zum Kollaps oder zu allergischer Schocks führen können. Daher benötigen Betroffene Zugang zu einer Notfallbehandlung. In Südafrika, wo ich lebe, würden wir diese Behandlung auf einer Intensivstation vornehmen – hier müssen wir es mit einer improvisierten Klinik schaffen.

Wenn unsere Patienten und Patientinnen, besonders Kinder, das Gegengift bekommen, ist es erstaunlich zu beobachten, wie sie sich erholen – selbst wenn sie Stunden zuvor vollkommen lethargisch waren. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie sich Kinder erholt haben und nach Hause gehen konnten.

Wenn unsere Patienten und Patientinnen die Einrichtung verlassen, müssen sie zurück in ein überfülltes Flüchtlingslager, in dem es Wasser- und Abwasserprobleme gibt. Wir haben sie von der Diphtherie geheilt, aber wir müssen sie zurück an einen Ort schicken, wo sie vielleicht bald weiteren Krankheitsausbrüchen ausgesetzt sind. Es hat bereits einen Masernausbruch gegeben, was kommt als nächstes?“

Ärzte ohne Grenzen hat seit dem Beginn der Massenflucht der Rohingya aus Myanmar Ende August 2017 die Nothilfe massiv ausgeweitet. Mittlerweile betreiben mehr als 2.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen fünf Kliniken, drei Gesundheitszentren und 15 Gesundheitsposten in den Lagern, haben 218 Brunnen gebohrt und mehr als 1.500 Latrinen gebaut. Insgesamt haben unsere Teams seit August mehr als 200.000 Patienten und Patientinnen behandelt, fast 5.000 wurden stationär aufgenommen. Bis zum 22. Januar haben wir 4.371 Diphterie-Kranke sowie 3.539 Maserpatienten versorgt, meist Kinder unter 15 Jahren.