Ärzte ohne Grenzen fordert niedrigere Impfstoffpreise

20.01.2015
Bericht: Kostenexplosion behindert Immunisierung von Kindern in ärmeren Ländern
Im Juli 2014 starteten die Teams von Ärzte ohne Grenzen die erste von drei Massenimpfkampagnen im Bezirk Adjumani im nördlichen Uganda, um Kinder vor tödlichen Atemwegserkrankungen zu schützen.
Sydelle Willow Smith
Adjumani, Uganda, 16.07.2015: Im Juli 2014 starteten die Teams von Ärzte ohne Grenzen die erste von drei Massenimpfkampagnen im Bezirk Adjumani im nördlichen Uganda, um Kinder vor tödlichen Atemwegserkrankungen zu schützen.

Berlin/Wien, am 20. Januar 2015 – Kurz vor der Wiederauffüllungskonferenz der internationalen Impfallianz Gavi am kommenden Dienstag in Berlin fordert die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières (MSF) Pharmaunternehmen auf, überteuerte Preise von Impfstoffen für ärmere Länder deutlich zu senken. Die Firmen GlaxoSmithKline (GSK) und Pfizer müssten den Preis für die Pneumokokken-Impfung gegen Lungenentzündung von aktuell bis zu 21 US-Dollar auf 5 US-Dollar pro Impfung in ärmeren Ländern reduzieren. Der heute veröffentlichte Bericht von Ärzte ohne Grenzen über den Impfstoff-Markt mit dem Titel „The Right Shot” zeigt, dass die Kosten für die vollständige Immunisierung eines Kindes in den ärmsten Ländern in den vergangenen Jahren explodiert sind.

 

Impfstoffe viel zu teuer

 

„Ein Kind vollständig zu immunisieren, kostet heute 68 Mal so viel wie im Jahr 2001. Der Hauptgrund liegt darin, dass eine Handvoll Pharmafirmen für ihre Impfstoffe zu viel von den ärmeren Ländern und den internationalen Gebern verlangen, obwohl sie in den reichen Ländern ohnehin Milliardenumsätze erzielen“, sagt Rohit Malpani von der Medikamentenkampagne von  Ärzte ohne Grenzen .

Für die Immunisierung eines Kindes werden heute von der Weltgesundheitsorganisation Impfstoffe gegen insgesamt 12 Krankheiten empfohlen, unter anderem gegen Durchfallerkrankungen, Lungenentzündung, Masern, Keuchhusten, Röteln und Polio. Der Pneumokokken-Impfstoff gegen Lungenentzündung ist allein für 45 Prozent der Kosten verantwortlich. Seit der Markteinführung haben GSK und Pfizer mit ihren Pneumokokken-Impfstoffen einen Umsatz von mehr als 19 Milliarden US-Dollar erzielt.

 

Ziel: Mehr Kinder schützen

 

„Gavi braucht von den Geberländern bis 2020 zusätzlich 7,5 Milliarden US-Dollar für die Finanzierung von Impfprogrammen in ärmeren Ländern. Über ein Drittel dieser Summe würde allein für einen einzigen Impfstoff gegen Pneumokokken ausgegeben werden“, erklärt Malpani. „Ein niedrigerer Preis für diesen Impfstoff würde es ermöglichen, von diesen Steuergeldern deutlich mehr Kinder vollständig zu impfen. GlaxoSmithKline und Pfizer sollten ihren Beitrag dazu leisten, Impfstoffe bezahlbar zu machen. Die Nachlässe, die sie bislang gewähren, reichen einfach nicht aus.“

Ärzte ohne Grenzen  kritisiert darüber hinaus die mangelhafte Transparenz des Impfstoffmarkts. Wegen fehlender Vergleichsmöglichkeiten wird eine effektive Preisverhandlung der Staaten mit den Herstellern erschwert. Das führt beispielsweise dazu, dass Tunesien und Marokko deutlich mehr für einen Impfstoff bezahlen als Frankreich.

 

Appell an Geberländer

 

„Wir rufen die Geberländer und insbesondere Deutschland, den Gastgeber der Konferenz, dazu auf, mehr Druck auf die Pharmaindustrie auszuüben, die Preise für Impfstoffe transparent zu machen und diese deutlich zu senken, damit auch Kinder in ärmeren Ländern durch neue Impfstoffe geschützt werden können“, sagt Philipp Frisch, Koordinator der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland. „Wir begrüßen die Erhöhung des deutschen Beitrags zu Gavi. Dies sollte aber auch Anlass für die Bundesregierung sein, sehr genau hinzuschauen, wie effizient das Geld eingesetzt wird – sie sollte deshalb auf eine Preissenkung für den Pneumokokken-Impfstoff hinwirken.“

Die globale Impfallianz Gavi ist eine öffentlich-private Partnerschaft aus den Regierungen von Industrie- und Entwicklungsländern, internationalen Organisationen, Impfstoffherstellern und einigen Nichtregierungsorganisationen. Bei der Wiederauffüllungskonferenz am 27. Januar in Berlin unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel sollen Geberbeiträge für die Jahre 2016 bis 2020 eingesammelt werden.

Ärzte ohne Grenzen  impft jedes Jahr Millionen von Kindern. Im Jahr 2013 wurden mehr als 6 Millionen Impfstoffdosen in die Projekte geliefert. Impfkampagnen finden meist statt, um Ausbrüche von Masern, Meningitis, Gelbfieber und Cholera einzudämmen. Die Organisation unterstützt aber auch Routineimpfungen in Projekten zu Mütter- und Kindergesundheit.  Ärzte ohne Grenzen  plant, die Impfaktivitäten auszuweiten.