In Yida ist glücklicher Weise derzeit alles ruhig – aber man weiß nie, was passiert. Deswegen müssen wir auch hier, gleich wie in jedem europäischen Krankenhaus, von Zeit zu Zeit den Ernstfall üben: Wir sprechen von einem MCP, einem “Mass Casualty Plan” – also einer Katastrophenübung. Dieser Plan tritt in Kraft, sollten plötzlich unerwartet viele Patienten auf einmal das Krankenhaus stürmen.
Der beste Plan ist wirkungslos, wenn nicht alle Teilnehmer wissen, was sie tun müssen. Deswegen beschlossen wir, die Übung möglichst echt zu gestalten. Das Szenario, das wir ausgesucht haben, war ein Busunglück mit ca. 30 Insassen. Dr. Amelie und ich waren äußerst kreativ bei der Gestaltung der Verwundeten: So gab es eine Mutter mit einem Baby, das nicht mehr atmete (eine Puppe), einen zehnjährigen Junge mit Verbrennungen, einen bewaffneten Soldaten mit einer Kopfverletzung... Diese Charaktere wurden von 30 Mitarbeitern sehr eindrucksvoll gespielt. Außerdem wurden einige Mitarbeiter als Beobachter an verschiedenen Stellen positioniert, die das Geschehen objektiv beurteilten und evaluierten. Die Mitarbeiter im Krankenhaus waren für einen Samstagnachmittag mehr als üblich, weil viele von ihnen für die Übung eingesetzt wurden, aber natürlich lief auch der normale Betrieb nebenher weiter – was für viele echte Patienten ein spannendes Theater zum Zuschauen wurde!
Bakri Ibrahim, einer unserer Community Health Worker, wird zum verletzten achtjährigen Mohammed © Michi Posch/MSF
Meine Aufgabe war es, den 30 gespielten Opfern ihre Rollen zu erklären und dann zu einem unvorhersehbaren Zeitpunkt ins Krankenhaus zu schicken. Zuerst kamen ein paar leicht Verletzte an, die selbständig und schnell gehen konnten. Später kamen dann die kritischen Fälle, getragen von ihren Familien. Außerdem kam ein Auto voller Leute: so wurde auch geübt, wie man Schwerverletzte sicher aus einem Fahrzeug transportiert.
Bei der MCP-Übung: Die „Verletzten“ werden aus dem Auto getragen © Michi Posch/MSF
Sobald der „Mass Casualty Plan“ (MCP) vom klinischen Leiter und Projektleiter offiziell ausgerufen wird, tritt immer das gleiche System in Kraft: in der Triage-Zone nimmt man erste lebenswichtige Werte auf wie Puls, Blutdruck, Körpertemperatur. Zugleich werden die Ankommenden in Kategorien eingeteilt und sie bekommen ein entsprechendes Schild: Die Kategorien sind bei Ärzte ohne Grenzen immer grün, gelb, rot und schwarz.
Grüne Patienten sind nur leicht verletzt und stabil, sie kommen bei uns ins grüne Zelt und werden dort der Reihe nach versorgt, mit Wundversorgung und Medikamenten.
Patienten mit einem gelben Schild haben schwerere Verletzungen, die aber nicht akut lebensbedrohlich sind. Im gelben Zelt werden größere Wunden versorgt, die Patienten bekommen eine Infusion, sie werden stabilisiert.
Ein roter Patient ist in einer akut lebensbedrohenden Situation, jede Minute zählt. Er / sie wird so schnell wie möglich in das rote Zelt gebracht und man versucht, ihn am Leben zu halten oder zu reanimieren.
Für Opfer, die als schwarz gekennzeichnet werden, ist jede Hilfe zu spät. Sie sind tot oder praktisch tot. Im schwarzen Zelt werden Patienten maximal mit starken Schmerzmitteln versorgt, weil man nichts anderes tun kann.
Francis Paulino, der Apothekenmanager, und ich am Tag danach: jetzt beginnt unsere Arbeit… © Michi Posch/MSF
Unsere Übung war sehr wichtig für alle Beteiligten. De aktive Teilnahme und auch die Diskussionen und Analysen danach zeigten unsere Stärken und Schwächen für den Ernstfall. Wir werden das sicher in wenigen Monaten wiederholen, denn zum einen konnten nicht alle Mitarbeiter zugleich teilnehmen, und zum anderen sollte das Wissen immer wieder aufgefrischt werden.
Vor allem waren diese Stunden aber ein großer Spaß. Es gab dank der guten Schauspielerei der Opfer und der starken Engagements des arbeitenden Personals viel zu lachen, es war lehrreich und unterhaltsam zugleich. Wir werden uns sicher noch lang daran zurück erinnern, bis zur nächsten Katastrophenübung!
Dr. Lanice und Dr. Aurelie sind glücklich über die erfolgreiche MCP Übung! © Michi Posch/MSF
Vielen Dank für euren Einsatz, wenn Menschen "schwarz" gekennzeichnet werden, wie hart ist diese Entscheidung für Euch?! Ich bewundere eure Stärke und euren Einsatz. Ich könnte das nicht leisten. Danke ❤
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